Afro-Pfingsten und das koloniale Erbe Winterthurs
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#35 | 5.6.2025 | Online lesen | Unterstützen

WNTI Wintibrief

Tizian Schöni

Was machst du an Pfingsten?

Ins Pfadi- oder Cevilager kann ich nicht mehr ‒ aus dem Alter bin ich raus. Meine Kollegin Gioia Jöhri aber noch nicht ganz. Sie kriegt am Wochenende nochmals eine Chance, davon lest ihr dann am Montag.

Ich für meinen Teil gehe an die Afro-Pfingsten. Die Tanzworkshops sind nicht so meins. Umso mehr freut mich, dass sich über die Feiertage heute ein üppiges Rahmenprogramm entfaltet, das nicht nur die Sonnen-, sondern auch die Schattenseiten der europäisch-afrikanischen Beziehungen beleuchtet. «Kultur ist halt nicht losgelöst von ihrer Geschichte», sagt Walter Fofana, der bei den Afro-Pfingsten für das Programm verantwortlich ist. Deshalb sei es wichtig, ein Bewusstsein für die Themen Kolonialismus, Rassismus und Migration zu schaffen. «Gerade als öffentliches, kulturelles Festival mit Reichweite haben wir eine Verantwortung.»

Leckerer Streetfood, toller Sound und volle Gassen. Doch die Afro-Pfingsten sind seit Jahren mehr als das. (Bild: wintipix.com)

Die verschiedenen Workshops, Führungen, Referate und Lesungen setzen die Afro-Pfingsten gemeinsam mit Partner:innen um.

Zum Beispiel der Verein African Voices: Er organisiert in der Stadtbibliothek eine Ausstellung mit 16 afrikanischen Autor:innen und ihren Geschichten. Zum Beispiel von Ngugi wa Thiong’o – einem erst letzte Woche verstorbenen kenianischen Autor. Sein Buch mit dem Titel «Afrika sichtbar machen» ist auch ein Ziel des Vereins. Ein hochgestecktes, wie die Referentin zugeben musste: «54 Länder und über 2000 gesprochene Sprachen – wir werden heute also nur einen kleinen Ausschnitt hören», sagte sie. Thiong’o sucht in seinem Werk nach einer neuen Rolle Afrikas in einer zwar globalisierten, aber noch immer unter den Nachwirkungen von Kolonialismus und Sklaverei leidenden Welt.

Da passt es gut, läuft in der alten Kaserne gerade die Ausstellung «Wenn Rohstoffhändler erwischt werden». Public Eye hat dafür 20 Rechtsfälle aufgearbeitet, in die Schweizer Handelskonzerne verwickelt waren oder sind. Schauplätze sind oft rohstoffreiche, afrikanische Länder, zum Beispiel Angola. Erst Ende Januar verurteilte das Bundesstrafgericht einen Manager des Schweizer Rohstoffhändlers Trafigura ‒ er hatte in Angola für insgesamt fast fünf Millionen Euro einen leitenden Staatsangestellten bestochen.

Der Fall «Das Monopol von Trafigura in Angola» ist Teil der Ausstellung in der alten Kaserne. Illustriert wurde sie vom Genfer Künstler Jean-Philippe Kalonji (Bild: Public Eye / Kalonji)

Zudem wirft der Verein sein Auge auf die Kaffeestadt Winterthur. Das ursprünglich äthiopische Ritualgetränk eroberte Europa im Sturm, längst ist es im Westen zum Handels- und Konsumgut geworden, mit dem sich hier viel Geld verdienen lässt. Doch angebaut wird Kaffee noch immer im «Kaffeegürtel» rund um die Welt. Nur dort stimmen die klimatischen Bedingungen ‒ in Ländern wie Äthiopien, Uganda, Kenia oder Ruanda.

«Winterthur hat natürlich eine Geschichte mit Kolonialwaren», sagt Brigitte Häberle von der Public Eye Regionalgruppe Winterthur. Denn einer der grössten Zwischenhändler für Kaffee weltweit hat hier seinen Sitz. Die Volcafe Ltd. ‒ heute mit Büroräumlichkeiten im Technopark ‒ ging aus dem Kaffeegeschäft des Kolonialwarenhändlers Gebrüder Volkart hervor. Dort knüpft die Führung an, zeigt aber auch sonst viele Aspekte von Kaffee, wie Radio Stadtfilter Ende März berichtete. Leider ist die Führung an Pfingsten bereits ausgebucht, mit der App «Actionbound» können Interessierte den Rundgang per Smartphone trotzdem selbst vornehmen.

Walter Fofana ist Programmverantwortlicher der Afro-Pfingsten. Er freue sich auf die Band «The Massive Tribe» am Donnerstag im Albani oder das Referat «Söldner, Sklaven, Baumwollhändler» am kommenden Dienstag. (Bild: zvg)

«Die Afro-Pfingsten setzten sich schon in den 2010er-Jahren teilweise mit diesen Themen auseinander», sagt Walter Fofana. Nach der Edition 2022 habe sich das Team in einem Workshop mit der Vision des Festivals beschäftigt. Das Resultat: «Wir wollten weg vom klischeehaften Afrika.» Seither ist das Angebot an aufklärenden Angeboten stark gewachsen.

Kommt die Aufarbeitung der kolonialen Geschichte der Schweiz voran? Er sei natürlich in einer Bubble unterwegs und tausche sich viel mit Menschen aus, die sehr differenziert auf die Vergangenheit blickten, relativiert Fofana. Doch er habe das Gefühl, dass es vorwärtsgehe.

Eine weitere Organisation, die dazu beiträgt, ist der Winterthurer Verein Kehrseite. «Wir beleuchten auf unserem Rundgang die Schnittstelle zwischen Kolonialismus und Rassismus», sagt Miguel Garcia. Ein Halt sei das Casinotheater ‒ denn dort fand im Juni 1887 eine Völkerschau statt. Die Zurschaustellung von Menschen anderer Hautfarben sei als Bildungsarbeit verkauft worden. Ziel sei aber immer die Hierarchisierung von Menschen aufgrund ihrer Rasse gewesen, sagt Garcia. Während der Afro-Pfingsten finden die Rundgänge am Samstag und Sonntag statt.

Die Afro-Pfingsten haben also viel zu bieten – und wem dieser kritische Teil des Rahmenprogramms zu düster wird, der kann sich einfach am Rest des Festivals umsehen. Dort werden die zig Kulturen eines Kontinents gefeiert, wie sonst wohl nirgends zu Pfingsten.

Rubrik: Was lauft?
  • Sich durch die Röhre schieben lassen ist schwer im Trend. Das beweist das Winterthurer Gesundheits-Startup Aeon Life. Es bietet Ganzkörper-Checkups im Magnetresonanztomografen (MRT) an ‒ ab 2500 Franken. Das Unternehmen verspricht, potenziell chronische Krankheiten und verdeckte Risiken wie zum Beispiel Krebs, Aneurysmen, Hirnerkrankungen und Diabetes zu erkennen. Und hat mit diesem Versprechen gerade in einer Finanzierungsrunde rund 7,5 Millionen Franken eingesammelt. Damit möchte es nun weitere Standorte in der Schweiz eröffnen. Wer also noch nichts von seiner Krankheit weiss ‒ ab in die Röhre!


  • Niemand gumpt wie Zoe Tellenbach: Die 20-jährige Trampolinspringerin aus Winterthur holte am Wochenende in Lausen die Goldmedaille in der höchsten Kategorie, wie die Winterthurer Zeitung schreibt. Mit diesem Titel qualifiziert sie sich für die U21-Weltmeisterschaften kommenden November. Ihr Traum ist noch eine Nummer grösser: die Olympischen Spiele 2028 in Los Angeles.


  • Über 1000 Kinder bestehen die Veloprüfung: Im April und Mai stellten sich mehr als 1100 Schüler:innen der 6. Klasse der praktischen und theoretischen Veloprüfung, wie die Stadtpolizei gestern mitteilte. 90 Prozent bestanden beide Prüfungen, fast 30 Prozent meisterten sie sogar fehlerfrei ‒ und erhielten die Veloprüfungsmedaille. Die 147 durchgefallenen Kinder müssen an die Nachinstruktionen, ächz.

Rubrik: Winti liebt (*bezahlte Partnerschaft)

150 Jahre Gewerbemuseum Winterthur ‒ Open Doors mit Gratiseintritt

Ob mit Farben und Siebdruck experimentieren, Plakate zu Papiertaschen falten oder erste Schritte im Sandstrahlen wagen – in den Familien-Workshops und Walk-ins am Pfingstwochenende ist für alle etwas dabei. Schon am Freitag, 6. Juni gibt es zur Einstimmung ins Jubiläum eine Artists’ Tour. Über Mittag führen Stéphanie Baechler, Christoph Hefti und Sonnhild Kestler durch die neue Ausstellung «Gib Stoff!». Kompakt und inspirierend sind aber auch die Kurzführungen für Neugierige – einfach kommen, entdecken, mitmachen!

«Was beschäftigt dich?», fragten wir im April an unserem Schaufenster in der Obergasse.

Abschliessend beantworten lässt sich die Frage dieser Post-it-Schreiber:in nicht. Aber wer das Rahmenprogramm der Afro-Pfingsten besucht, macht schon mal einen guten Anfang, oder?

Frohe Pfingsten!

Tizian

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