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| | Sie schmeissen sich in die Luft, rufen mit lauten Gesängen über das Feld und feuern ihr Team auf dem Platz an. Cheerleader sind längst nicht mehr nur in Teenie-Serien präsent, sondern gehören fest zum Bild eines jeden Footballspiels. Unser Autor Lenard Baum über Athletik, Teamgeist und das Image eines Sports, der mehr ist als nur Show. Klischees, Matten und Strukturprobleme: Annika Heiniger erlebte im Cheerleading in Winterthur alles, was der Sport zu bieten hat. Sei es als Athletin, Trainerin oder nun als Vorständin, in der sie aufzeigen will, dass der Sport längst mehr ist als Glitzer und Klischee. |
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| Training in der Turnhalle der Maurerschule. (Bild: Christopher Kurz) |
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In der Turnhalle der Maurerschule in Winterthur-Töss riecht es nach desinfizierten Böden und Turnmatten. Ein Pfiff, ein dumpfer Aufprall auf der Matte. Annika Heiniger steht am Mattenrand. Zopf streng gebunden, Stimme ruhig, aber bestimmt. Auf dem Rücken der schwarzen Trainingsjacke prangen drei glitzernde Diamanten. Ein kurzes Nicken und die rund dreissig Athletinnen des Senior-Cheerleading-Teams «Diamonds» bringen sich in Position. Sobald die ersten von ihnen mehrere Meter in die Luft gestemmt werden, wird klar: Das hier hat wenig mit dem Hollywood-Klischee von Cheerleading zu tun. Statt um Pompons und Tänze geht es um Präzision und Körperkraft.
Die 29-Jährige leitet das Training mit ruhiger Autorität. Dreimal pro Woche steht sie auf der Matte, organisiert Abläufe, korrigiert Bewegungen, feuert an. Neben dem Training kümmert sie sich als Sportvorständin der Warriors Cheerleader um einen der erfolgreichsten Cheerleading-Clubs Europas. |
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| | «Gebrochene Nase, ausgeschlagene Zähne, blaue Augen – das passiert halt.» Annika Heiniger, Trainerin Winterthur Warriors Diamonds Cheerleader |
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| | Zwei Stunden vor Trainingsbeginn sitzt die gebürtige Winterthurerin vor einer Tasse Tee in einem Café nahe der Turnhalle. Die Mediamatikerin zählt zu den prägenden Figuren des Schweizer Cheerleadings. Sie gewann mehrere Schweizer Meistertitel als Athletin und Coach, gewann Europameisterschaften mit dem Verein und startete zweimal bei den Weltmeisterschaften in den USA. «Wenn ich das alles höre, werde ich glatt rot», sagt sie lachend. Ihre Laufbahn begann 2005, inspiriert von einer Zeichentrickfigur, so Heiniger: «Ich fand Kim Possible immer sehr cool.» Eine Schülerin, die Cheerleaderin und Geheimagentin zugleich war, faszinierte sie. Als sie im Kunstturn-Training vom Cheerleading-Team in Winterthur hörte, war klar: Das will ich probieren. 20 Jahre später ist sie eines der Gesichter des Clubs. |
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| Der gebürtigen Winterthurerin Annika Heiniger begegnen im Cheerleading-Vorstand viele Facetten des Sports: Neben Siegen beschäftigt auch die Sexualisierung. (Bild: Christopher Kurz) |
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| Damals war Cheerleading noch eine Teilabteilung der ansässigen Footballmannschaft, der Winterthur Warriors am Deutweg. «Wir hatten nicht einmal ein Jugendteam», erinnert sich Heiniger. Organisatorisch hing das Cheerleading an der Football-Struktur, mit sämtlichen Vor- und Nachteilen: «Wir merkten, dass es einfach zwei komplett unterschiedliche Sportarten sind, auch administrativ.» Was im Alltag harmlos klang, zeigte sich oft in kleinen Dingen. «Manchmal mussten wir wegen simplen Sachen, etwa T-Shirts oder Material, bei den Footballern anfragen», erzählt sie und führte aus: «Da wurde uns klar: Wir wollen unsere eigenen Entscheidungen treffen.» 2019 kam die Trennung: Die Cheerleader lösten sich von den Warriors und gründeten einen eigenen Verein – mit Heiniger als Vorstandsmitglied Sport. Ganz ohne Hintergedanken war der Schritt allerdings nicht: «Damit Cheerleading in der Schweiz von Swiss Olympic anerkannt wurde, brauchte es eine gewisse Anzahl eigenständiger Vereine», erklärt Heiniger. «Da wollten wir unseren Beitrag leisten.» Heute zählt der Club rund 200 Mitglieder, die meisten davon Kinder. Die Nachfrage ist so gross, dass sie 2024 erstmals eine Warteliste einführen mussten. |
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| In Winterthur betreiben die Warriors «Competitive Cheerleading» – akrobatische Pyramiden, Würfe, Sprünge, die mehr an Leichtathletik erinnern als an Tanz. Es ist ein Hochleistungssport, der Kraft, Technik und Vertrauen verlangt. Verletzungen gehören dazu: «Gebrochene Nase, ausgeschlagene Zähne, blaue Augen – das passiert halt. Wie bei jeder Kontaktsportart.» Wenn Heiniger von ihrer schlimmsten Verletzung erzählt, fasst sie sich an den Nacken und erzählt, als wäre es eine Randnotiz: «Ich hatte mir im Nacken einen Wirbel angerissen.» Früher sei vieles improvisiert gewesen, heute lege man mehr Wert auf Sicherheit und Qualität. Der Verein bilde Coaches weiter und arbeite mit Strukturen, die dem Spitzensport nahekommen. |
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| | «Wir merken schon, welches Körperbild gerade ‹in› ist und welches nicht.» Annika Heiniger, Trainerin Winterthur Warriors Diamonds Cheerleader |
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In vielen Köpfen ist Cheerleading noch immer Spielfeld-Tanz mit kurzen Outfits und Pompons. Heiniger kennt diese Klischees nur zu gut. Sie verdreht die Augen, nippt am Tee und lehnt sich zurück. «Ich probiere dann gar nicht mehr, das zu erklären. Wenn jemand das belächeln will, soll er», sagt sie und führt aus: «Aber ehrlich gesagt finde ich es gruselig, wenn Erwachsene bei einem Sport, in dem 150 Kinder mitmachen, sofort an Sexualisierung denken. Da frage ich mich: ‹Was stimmt in deinem Kopf eigentlich nicht?›» Man merkt schnell, welche Passion sie für ihren Sport hat. Beim Thema Körperbild wird ihr Ton aber ernst: «Wir merken schon, welches Körperbild gerade ‹in› ist und welches nicht.» Mitte der 2010er-Jahre sei es «fit» gewesen, heute rücke «skinny» wieder in den Vordergrund. «Die Überlegung, dass leichter gleich besser ist, ist einfach falsch», sagt sie. Seit ihrem Beginn im Cheerleading habe sie immer wieder erlebt, dass junge Athletinnen Essstörungen entwickelten – ein Thema, das sie nicht loslässt. «Wir hatten schon Kinder, bei denen wir gemerkt haben: Da stimmt etwas nicht. Dann suchen wir das Gespräch mit den Eltern.» Alle zwei Jahre lädt der Verein Fachpersonen ein, die über Ernährung und Körperwahrnehmung sprechen. Heiniger sagt: «Wir reden offen darüber. Es ist wahrscheinlich ein Sport, der das mehr anzieht.» |
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| Längst ist aus dem Cheerleading ein eigener Sport geworden. (Bild: Christopher Kurz) |
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Der Sport wächst und damit der organisatorische Aufwand. «Bei uns läuft fast alles ehrenamtlich – vom Vorstand bis zu den Coaches», sagt Heiniger. «Wir zahlen vieles selbst, kümmern uns um alles – da bleibt kaum Ruhe, aber viel Herzblut.» Doch die ehrenamtliche Arbeit zeigt Erfolge. Vor vier Jahren erkannte der Olympische Verband (IOC) den Sport an. Eine Entwicklung, welche sie als Chance und Herausforderung sieht: «Mehr Druck, mehr Professionalität, mehr Richtlinien für die Ehrenamtlichen», erinnert sich Heiniger. Für sie ist klar: Der Sport steht damit an einem Wendepunkt – zwischen Glitzer und Gewicht, zwischen Show und Spitzensport. |
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| Das Training ist vorbei. Draussen dämmert es über den Dächern von Töss, während in der Halle das Licht erlischt. Die letzten Athletinnen räumen Matten weg, sammeln Trinkflaschen ein. Heiniger steht noch immer in der Halle, spricht mit einer Co-Trainerin, diskutiert über eine Übung. Erst als alle gegangen sind, löscht sie das Licht. Wie würden ihre Teamkolleginnen ihre Trainerin beschreiben? Worte wie «ehrgeizig», «inspirierend» und «leidenschaftlich» fallen. Worte, die nach einer Person klingen, die noch lange nicht fertig ist, etwas zu bewegen. |
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| | Lenard Baum arbeitet als freier Journalist mit Fokus auf Sportthemen. Aufgewachsen in Seen, hat er seine Wurzeln im «grossen Nachbarskanton». Dennoch führen ihn seine Wege immer wieder nach Winterthur – besonders gern auf die Schützenwiese.
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| Ab 2026 kannst du Solarstrom aus deinem Quartier beziehen: Wie die Stadt mitteilte, sind ab 2026 sogenannte «lokale Elektrizitätsgemeinschaften» (LEG) in Winterthur möglich. Wer Solarstrom produziert, kann überschüssigen Strom dann im eigenen Quartier weitergeben und umgekehrt auch beziehen. Die Stadtverwaltung plant auch ihre eigenen Photovoltaikanlagen an eine LEG anzuschliessen. Details gibt es im Artikel von Kiino.
Winterthur legt Regeln für günstigen Wohnraum vor: Die Stadt Winterthur legt laut einer Mitteilung ihre neue Umsetzungsverordnung zum preisgünstigen Wohnraum öffentlich auf. Damit schafft sie die rechtliche Grundlage, um bei Auf- und Umzonungen künftig 20 bis 50 Prozent der Flächen für preisgünstigen Wohn- oder Gewerberaum zu sichern – wie im neuen Richtplan vorgesehen. Die Unterlagen sind vom 14. November 2025 bis 13. Januar 2026 beim Amt für Baubewilligungen einsehbar. Einwendungen sind innerhalb dieser Frist möglich.
Chlauslauf in Hegi: Am Sonntag findet der 32. Hegemer Chlauslauf statt. Es gibt Strecken von 3,9 bis 10,3 Kilometern. Anmeldung und Start erfolgen individuell ab 10 Uhr. Das Startgeld beträgt zwischen fünf und 18 Franken. Es gibt 14 verschiedene Kategorien. Der Lauf wird ehrenamtlich organisiert, wie Urs Rinklef, OK-Präsident, in der Quartierzeitung Hegi-Info schreibt.
Stadtrat will Bau- und Zonenordnung erneuern: Der Stadtrat hat beim Stadtparlament einen Verpflichtungskredit von 1,5 Millionen Franken für eine «gründliche Überarbeitung der BZO» beantragt. Diese stamme aus den 1990er Jahren und sei nicht mehr zeitgemäss für die stark wachsende Stadt Winterthur, schreibt die Stadt in einer Mitteilung. Mit der Erneuerung der Bau- und Zonenordnung möchte die Stadt eine Grundlage für eine zukunftsfähige, hochwertige bauliche Entwicklung bieten. (gj)
Gewerbemuseum feiert am Wochenende: Schon einmal eine Tasche aus einem alten Museumsplakat gefaltet? Am 15. und 16. November bietet das Gewerbemuseum genau dazu einen Workshop an. Und es ist nicht der einzige: Auch Stempeln oder schön mit Tusche schreiben ist möglich. Neugierige können sich auf Kurzführungen oder einer Backstage-Tour mit der Direktorin rund um das Museum schlaumachen. Es wird dieses Jahr 150-jährig.
Ausstellung in der Villa Büel: Im Dachgeschoss der Remise Villa Büel zeigt die Multimedia-Künstlerin Theres Liechti eine «kleine, aber feine» Ausstellung. Die Vernissage ist morgen (am 15. November) von 16 bis 20 Uhr und Finissage am 29. November. Alle Künstler:innen hätten Liechti irgendwann auf ihrer künstlerischen Reise ein Stück begleitet. Zusätzlich betreibt Liechti während der Ausstellung eine KUNSTlounge in ihrem Atelier. (ks)
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| Alles andere als «petite»! Am 15. November 2025 bringt der Oratorienchor Winterthur Rossinis «Petite Messe Solennelle» in der selten dargebotenen Orchesterfassung unter der Leitung des Dirigenten Guilherme Roberto in Zusammenarbeit mit dem Orchester «Camerata Cantabile» zur Aufführung. Gioachino Rossini komponierte seine «Petite Messe solennelle» für Singstimmen, zwei Klavier und ein Harmonium. Später erarbeitete er die Orchesterfassung aus der Sorge heraus, dass die Messe nach seinem Tod durch die Bearbeitung eines anderen entstellt werden könnte. |
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| American Football in Winterthur Der American Football Club Winterthur Warriors ist seit 1987 Teil der Winterthurer Sportszene. In den Bereichen American Football, Flag Football und Cheerleading engagieren sich über 300 aktive Mitglieder, mehr als die Hälfte davon sind Kinder und Jugendliche zwischen sechs und 18 Jahren. Im Bereich American Football ist der Verein mit vier Mannschaften aktiv. Die erste Mannschaft spielt seit mehreren Jahren in der Spitzengruppe der höchsten Schweizer Liga. Die Nachwuchsabteilung zählt zu den erfolgreichsten des Landes, und das neu aufgebaute Frauenteam verzeichnet kontinuierliches Wachstum. Ein bemerkenswertes Beispiel für internationalen Football-Nachwuchs aus Winterthur ist Jeremias Medici. Der talentierte Running Back wechselte für ein Frühjahrssemester an die Shippensburg University in den USA. Dort sammelte er wertvolle Erfahrungen im College-Football – ein Schritt, den bisher nur wenige Schweizer gewagt haben. |
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| Die Winterthur Warriors auf dem Spielfeld. (Bild: Winterthur Warriors) |
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| | Der «American Dream»? Vielleicht nicht ganz. Aber wer braucht schon Miami, wenn auch in Winterthur akrobatische Pyramiden wachsen, Teamgeist glänzt und die Turnhalle zur Bühne wird. Damit ein schönes Wochenende und pass auf dich auf, wenn du dich das nächste Mal in die Luft schmeisst. Oder aufs Sofa. Bye Bye!
Marit von WNTI |
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