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| | GmbHs und AGs haben einen unschlagbaren Vorteil: Sie haften nur mit ihrem eigenen Vermögen. Die Kehrseite: Wer als Chef:in vorsätzlich schlecht wirtschaftet, kann persönlich kaum belangt werden. Wenn schon, dann fällt ein Urteil oft milde aus, wie ein Urteil des Obergerichts von Mitte September zeigt. |
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| Das Urteil des Obergerichts war milder als das des Bezirksgerichts Winterthur. (Bild: Obergericht Zürich) |
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| Ein Beispiel ist der Neubau der integrierten Psychiatrie Winterthur-Zürcher Unterland (IPW) (der Tages-Anzeiger berichtete). Ihren Neubau hat sie im Frühling 2025 bezogen, zuvor waren aber massive Baumängel festgestellt worden. Die Gretchenfrage: Wer bezahlt den Schaden? «Natürlich das Bauunternehmen!», werden Sie denken. Weit gefehlt. Die Firma ist längst Konkurs. Und die Personen, die für das Fiasko verantwortlich sind, können kaum mehr belangt werden. Möglich macht das mitunter ein Sätzlein im Obligationenrecht: «Für ihre Verbindlichkeiten haftet nur das Gesellschaftsvermögen», heisst es dort zu der Aktiengesellschaft (AG) und der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Das sind die beiden wichtigsten Formen juristischer Personen in der Schweiz. Die Idee, Kapital in «juristischen» Personen zu bündeln, um damit risikoreiche Unternehmungen zu wagen, ist eigentlich revolutionär. 1602 entfesselte sie in den Niederlanden ein beispielloses Wirtschaftswachstum: Statt in ein maximales Risiko zu gehen und sein gesamtes Hab und Gut auf eine einzige, riskante Segelschifffahrt in den Fernen Osten zu setzen, konnten Kaufleute künftig ihr Geld in Aktien der Ostindien-Kompanie investieren. Die Kompanie haftete dann mit ihrem Kapital für die Schifffahrten. Für die erste moderne Aktiengesellschaft der Welt regnete es Geld ‒ und eine Dominanz im globalen Handel, die zwei Jahrhunderte andauern sollte. |
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| Eine Schifffahrt mit der Ostindien-Kompanie war weniger riskant, da die Aktiengemeinschaft haftete, nicht die Privatperson. (Bild: Wikimedia) |
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| Für die Anleger:innen auf der anderen Seite gab es eine klare Haftungsbeschränkung. Sie hat sich bis heute gehalten, denn sie ist für das Funktionieren dieser Strukturen essenziell. Aber sie kann sich auch als Fallstrick erweisen, wie ein kürzlich am Obergericht verhandelter Fall zeigt. Die erste Firma, die Sahmed Ameti (Name geändert) 2006 gegründet hatte, wurde bereits acht Monate nach ihrer Gründung mehrfach betrieben. Nach anderthalb Jahren war das Hochbauunternehmen nicht nur zahlungsunfähig, Ameti hatte es als einziger Geschäftsführer mit einer halben Million Franken Schulden belastet. Das lag nicht nur an einer geplatzten Geschäftsidee. Er hatte über die Firma auch Möbel gekauft, eine Wohnung im Ausland erworben und frühere Privatschulden gedeckt. Aber jetzt war Schluss, nur noch 4000 Franken lagen im Oktober 2010 auf dem Firmenkonto. Also: Konkurs? Daran verschwendete der damals 36-Jährige keinen Gedanken. Stattdessen übertrug er seine GmbH an einen «Firmenbestatter». Dieser wechselte Sitz, Zweck und Name des Unternehmens und verwischte damit Spuren. Das funktionierte, weil die Handelsregister kantonal organisiert sind, das heisst: Wechselt ein Unternehmen den Kanton, wird die Firmengeschichte im bisherigen Kanton gelöscht. Im Handelsregister des neuen Kantons wird die Firma neu eingetragen, ohne jegliche Vorgeschichte. Das Geld verdiente der Bestatter mit den Gebühren, die er für den «Kauf» des zahlungsunfähigen Unternehmens verlangte. Und damit, dass er weiterhin gegen Rechnung auf die neue Firma einkaufte ‒ natürlich, ohne je zu zahlen. Bei der Einstellung des Konkursverfahrens 2011 erlitten sämtliche Gläubiger einen Totalverlust. So geht es aus der Anklage der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland hervor. |
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| (Illustration: Fabian Meister) |
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| Ametis Name tauchte indes nie in Verbindung mit einem Konkurs auf. Er hatte bereits 2008 eine weitere Firma gegründet, dieses Mal ein Transportunternehmen. Auch sie war «nur kurze Zeit wirtschaftlich tragfähig», wie es in der Anklage heisst. Dieses Spiel trieb er insgesamt mindestens viermal. Bis heute ist Ameti alleiniger Geschäftsführer einer GmbH. Im Laufe seiner Karriere sass er gar in mindestens 16 Kapitalgesellschaften ein. Die Anklageschrift nannte Misswirtschaft, Gläubigerschädigung, Irreführung und weitere Straftaten im Zusammenhang mit diversen Firmen. Im Visier der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland war er spätestens seit Anfang 2012, als diese eine Hausdurchsuchung bei ihm angeordnet hatte. Insgesamt, so hiess es seitens des Staatsanwalts am Obergericht, seien sieben verschiedene Staatsanwaltschaften und vier Polizeikorps involviert gewesen, es habe 70 Einvernahmen und 30 Rapporte gegeben. Ameti hatte nicht nur die Geschäftssitze seiner Firmen in verschiedenen Kantonen angelegt, er wechselte auch mehrmals seinen Wohnsitz. Der Vorteil: Ein stets leerer Betreibungsregisterauszug, wie der Staatsanwalt vermutete. Für seine Vergehen wurde Ameti 2024 am Bezirksgericht Winterthur verurteilt. Es setzte seine Strafe auf 30 Monate Gefängnis, sechs davon unbedingt, und eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu 160 Franken fest. Die 108’000 Franken, die er für private Zwecke abgehoben hatte, hätte er dem Staat als Entschädigung zahlen müssen, genauso wie die Verfahrenskosten, die sich auf den stolzen Betrag von 118’000 Franken summierten. Doch der Beschuldigte zog den Fall weiter an das Obergericht, Ende September wurde erneut verhandelt. Der Verteidiger plädierte für einen vollständigen Freispruch. «Was hat die Staatsanwaltschaft in den letzten dreizehn Jahren gemacht?», fragte er in den Saal. Für seinen Mandaten sei es psychisch belastend gewesen, nicht zu wissen, wie es weitergehe. Der Staatsanwalt verteidigte die langwierige Ermittlungsarbeit, die bereits am Bezirksgericht Thema gewesen war. Damals wurde die Gefängnisstrafe wegen Verletzung des Beschleunigungsgebotes um fast 18 Monate gekürzt. |
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| Immer wieder gibt es Schlagzeilen zu Misswirtschaft. (Bild: WNTI) |
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| Für die auf Wirtschaftskriminalität spezialisierte Staatsanwaltschaft III war die Strafe jedoch zu tief. Seit 2016 führte diese das Verfahren. Misswirtschaft sei «ein ernstzunehmendes kriminelles Problem». Mehrere Personen hätten durch Ameti einen hohen Schaden erlitten. «Und dann gibt es nur eine so kleine Strafe – das kann nicht sein.» Das Obergericht verurteilte den windigen Geschäftsführer unter anderem wegen mehrfacher Misswirtschaft, Pfändungsbetrug, Betrug und unterlassener Buchführung. Seine Strafe wurde auf 24 Monate Gefängnis und 20 Tagessätze gekürzt, auf den Forderungen von insgesamt knapp 240’000 Franken bleibt er sitzen. Die Gefängnisstrafe muss er nur antreten, wenn er sich in den nächsten vier Jahren noch einmal etwas zuschulden kommen lässt. Ein Tätigkeitsverbot, wie von der Staatsanwaltschaft gefordert, blieb aus. Nun ‒ wer bezahlts? Im Falle des betrügerischen Sahmed Ameti die verschiedenen Gläubiger: Eine Krankenkasse, ein Unfallversicherer, ein Möbelhaus. Und schlussendlich zu einem guten Teil ‒ genau wie im Fall IPW ‒ der Staat. |
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| In der AXA Arena wird geturnt: Am 22. und 23. November findet in Winterthur die Schweizermeisterschaft im Kunstturnen statt. Etwa 250 Turner:innen werden sich an diesem Wochenende messen. 2021 war Winterthur bereits einmal Schauplatz des Turniers. Das diesjährige Tagesprogramm ist auf der Website ersichtlich.
Winterthurer Schützen treffen: Der Verein Standschützen Oberwinterthur hat ein erfolgreiches Wochenende hinter sich. Wie der Verein auf der Website schreibt, gewinnen die Junioren an der Ostschweizer Mannschafts-Meisterschaft (OMM) Gold. Die Eliteschützen schaffen es auf Platz drei.
SVP lanciert Initiative: Mit einer ähnlichen Initiative wie sie bereits die SVP Zürich gestartet hat, will nun auch die SVP Winterthur der Situation auf dem hiesigen Wohnungsmarkt beikommen. Die Initiative «JA zur Wohninitiative – Für eusi Stadt, für eusi Familie» will, dass Wohnungssuchende, die bereits in Winterthur wohnen, Vorrang erhalten bei der Vermietung von Wohnungen, die der Stadt gehören oder von ihr finanziert werden. Zudem soll mit einem jährlichen Kurzbericht über den Mieter:innenspiegel mehr Transparenz geschaffen werden.
Ricketwil bangt um Haltestelle: Wie der Tages-Anzeiger berichtet, macht sich der Ortsverein Ricketwil dafür stark, dass die Buslinie 680 auch weiterhin im 100-Seelen-Weiler hält. Der ZVV plant, die Linie mittelfristig nur noch bis zum Bahnhof Räterschen fahren zu lassen. In einem Brief an Stadtrat Stefan Fritschi schreibt der Präsident des Ortsvereins, dass die Bushaltestelle Tolhusen die einzige Möglichkeit für die Bewohner:innen des Weilers sei, den öffentlichen Verkehr zu nutzen – mit einem Gehweg von 15 Minuten.
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13 Porträts aus Winterthur
«Wir haben uns mit Menschen beschäftigt, die in unserer Stadt wohnen», schrieb uns Daniel Fehr letzte Woche. Gemeinsam mit Monika Wilhelm hat er Briefe an zufällig eingeladene Winterthurer:innen verschickt. «Wollen Sie uns etwas über Ihr Leben erzählen?», fragten die beiden Autor:innen. Herausgekommen sind 13 Gespräche, die sie unter dem Titel «Briefe an Winterthur» dokumentiert haben. Auszugsweise werden sie am Freitag, 28. November, um 17.15 Uhr in der Stadtbibliothek gelesen. Anschliessend gibt es in der Sammlung nebenan eine Ausstellung dazu. (tz) |
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| 10 Jahre ZHAW auf dem Sulzerareal: von Industrie zu Bildung in der Halle 87 Die Hochschulbibliothek der ZHAW ist in einem denkmalgeschützten Gebäude untergebracht: In der Sulzer-Werkhalle 87, die 1931 erbaut wurde. Im halbrunden Gebäude war die Rohrschlosserei und der «Stiftenhimmel» untergebracht, heisst es im Winterthurer Glossar. Der «Stiftenhimmel» war die Ausbildungsstätte für Sulzer-Lernende im dritten Stock, heutzutage befindet sich dort eine Lernlandschaft. Der Stahl-Skelettbau ist vom Architekten Lebrecht Völki geplant worden. Völki hat unter anderem auch das Schulhaus Heiligberg, das Kirchgemeindehaus Liebestrasse und das Verwaltungsgebäude von Sulzer entworfen. Die Fassade der Halle sei «für reine Zweckbauten anspruchsvoll gestaltet», schreibt das Winterthurer Glossar. Sie besteht aus roten Eternitschindeln und einer grossflächigen Verglasung. |
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| Die Halle 87 war später bekannt als City-Halle und heisst jetzt Haus Tista Murk. (Bild: Hans-Peter Bärtschi) |
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| Ende der 80er-Jahre wurde der Fabrikbetrieb stillgelegt. Daraufhin folgte eine Zwischennutzung, unter anderem für kulturelle Anlässe. Die Firma Think Musicals führte während 13 Jahren Musicals auf und auch die Jungkunst und Afro-Pfingsten fanden mehrere Male in der Halle statt, wie sich in älteren Artikeln des Landboten nachlesen lässt. Danach begann der Umbau zur Hochschulbibliothek, die im Februar 2015 bezogen wurde. Anlässlich des zehnjährigen Jubiläums feiert das die ZHAW heute. (ks) |
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| | | | Man könnte ja meinen, wer ein Geschäft eröffnet, möchte, dass es floriert. Aber wenn mit dem Konkurs einer Firma und sogar mit der Beihilfe zum Begräbnis Geld verdient werden kann, tun sich ganz neue wirtschaftliche Möglichkeiten auf. Spannende Zeiten. Bis bald, dein WNTI-Team |
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