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| Er war in seinem Leben schon vieles. |
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Christoph Schürch ist ausgebildeter Pflegefachmann, Sterbebegleiter und Trauerredner, er politisierte im Winterthurer Gemeinderat und 15 Jahre im Zürcher Kantonsrat. Er organisierte Demos und Aktionen, initiierte die Gründung des «Hauses der Solidarität Nord-Süd» ‒ und glaubt man seiner Erzählung, gibt es nur dank ihm eine Leserbriefseite im «Landboten». Aber dazu später. |
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| Christoph Schürch im Kellertheater nach dem «Stadtalk». (Bild: Tizian Schöni) |
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| Aufgefallen ist Christoph Schürch der WNTI-Redaktion vor allem durch seine zahlreichen Mails. Hartnäckig machte er auf die Gaza-Mahnwache aufmerksam, die er regelmässig am Oberen Graben organisierte. Rund 50 Personen versammelten sich dort jeweils am Montag, um stumm gegen den Hunger und das Leid in Gaza zu demonstrieren. Nun war Schürch gestern zu Gast im «Stadtalk», der Winterthurer Live-Talkshow. Ein guter Moment, um den Blick auf ein bewegtes Leben zu werfen. Politisiert wurde der heute 66-Jährige durch die Waffenschau W81, die 1981 in Winterthur stattfand. Es war auch Christoph Schürch, der ‒ notabene während des Albanifests ‒ eine Demonstration organisierte, die laut eigenen Aussagen 3500 Personen gegen die W81 auf die Strasse brachte. Eine andere Aktion war der «Menschenteppich» vor dem Eingang der Messe. Besucher:innen mussten «über Leichen gehen», um die Schau zu sehen. |
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| «Wer über uns geht, geht auch über Leichen» hiess es auf einem Transparent zur Aktion an der Waffenschau W81. (Bild: bildarchiv.winterthur.ch) |
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| 1984 ging Schürch mit einer Friedensbrigade nach Nicaragua. «Hier merkte ich: Es geht um mehr als nur Waffen. Es geht um Gerechtigkeit», erzählte er im «Stadtalk». Als er aus Südamerika zurückgekommen sei, wusste er, dass er politisch aktiv werden wollte. Er trat den Progressiven Organisationen der Schweiz (POCH) bei, einer linksalternativen Kleinpartei, die damals gegen eine starke FDP im Gemeinderat politisierte ‒ und in der Öffentlichkeit Aktionen durchführte, die aneckten. Einmal war das zum Beispiel die durchschnittliche Abfallmenge einer Schweizer:in, welche Schürch und seine Mitstreiter:innen in der Marktgasse auskippten. Mal wurden aus Tempo 60-Schildern über Nacht solche mit Tempo 30. Sein grösster Coup: Nachdem es im Jugendhaus wegen angeblichen Cannabis-Konsums Verhaftungen gegeben hatte, outete er sich im Gemeinderat kurzerhand selbst als Konsument ‒ und zeigte ein Klümpchen Hasch im Ratsaal. «Das war ein Bömbeli», sagte Schürch. «Und nachdem der Tagesanzeiger darüber berichtet hatte, war es eine nationale Geschichte.» Nach einem Verzeig und heftiger Kritik, nicht nur von CVP-Stadtrat Hans Hollenstein, sondern auch vom späteren Stadtpräsidenten und SP-Politiker Ernst Wohlwend, dachte Schürch nicht daran, einen Schritt zurück zu machen. Er ging einen vorwärts und lancierte im «Landboten» ein Inserat, in dem sich über 100 Personen öffentlich zum Konsum bekannten. |
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| Das Inserat in der rechten Randspalte sorgte am 8. Januar 1994 im «Landboten» für Empörung. «Wir unterzeichnenden Frauen stehen öffentlich dazu, regelmässig oder gelegentlich Cannabisprodukte zu konsumieren» ‒ darauf folgte eine Liste mit über 100 Namen. (Bild: Sammlung Winterthur) |
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| 1992 kam der nach der Auflösung der POCH zur SP gewechselte Christoph Schürch in den Kantonsrat. Im selben Jahr gründete er das «Haus der Solidarität Nord-Süd» mit. Norden und Süden stehen im Namen stellvertretend für die reichen und armen Weltgegenden mit ihren unterschiedlichen Voraussetzungen und Chancen. Verschiedene Gruppen, die sich mit diesen Themen auseinandersetzen, sollten dort einen Raum erhalten. Bis heute wird er rege genutzt. Am häufigsten würden die Räumlichkeiten vom Solinetz benötigt, welches Sprachkurse für Geflüchtete anbiete, sagte Schürch. Seit über 30 Jahren ist das Geburtshaus von Jonas Furrer an der Steinberggasse an den Trägerverein vermietet, im Erdgeschoss befindet sich der Claro-Laden. Heute präsidiert er den Verein wieder. Doch das Haus müsse sich anpassen. Einerseits gebe es Anfragen von Organisationen, die nicht unbedingt mit dem globalen Süden zu tun hätten, sich aber mit denselben Grundwerten auseinandersetzten. Andererseits ist die Welt eine andere geworden. «Die Invasion der Russen in der Ukraine zum Beispiel ist keine typische Nord-Süd-Problematik. Dennoch braucht es eine Reaktion darauf.» Dasselbe gelte für Gaza. |
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| Etwa 50 Personen versammelten sich Montag für Montag am Oberen Graben zur Mahnwache, um auf das Leid in Gaza aufmerksam zu machen. (Bild: zvg) |
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Und die Mahnwache? Wird sie trotz des Waffenstilstands weiter stattfinden? «Es ist ein Waffenstillstand ‒ nicht mehr», sagt Christoph Schürch. Er gehe davon aus, dass man sich auch nächsten Montag noch einmal treffen wird, um stumm gegen die Gewalt im Nahen Osten zu demonstrieren. Vermutlich veränderten sich die Forderungen, welche die Mahnwache stets an die Schweiz und den Bundesrat gestellt habe. Man stecke gerade in den Diskussionen. Es gäbe noch vieles über Christoph Schürch zu erzählen. An dieser Stelle aber nur noch dies: Stets war das Schreiben von Leserbriefen wohl sein beliebtestes Instrument ausserparlamentarischer Politik, dutzende Zeugnisse gibt es davon in der schweizerischen Mediendatenbank. Nur gab es dafür im «Landboten» lange keine Plattform. Also habe er gemeinsam mit Freunden den damaligen Chefredaktor Rudolf Gerber zu sich nach Hause eingeladen. Am Alkohol sei dabei nicht gespart worden. «Danach hat es eine Leserbriefseite gegeben.» |
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| Kurzfilmkino im November: Die Kurzfilmtage veröffentlichten heute ihr Programm. Im Fokus stehen dieses Jahr das indische Kino «weit über Bollywood hinaus», wie in einer Medienmitteilung versprochen wurde. Weitere Schwerpunkte sind das Schaffen der portugiesischen Filmemacherin Isadora Neves Marques und Tanz. Ebenfalls heute startet der Vorverkauf für das Festival, das vom 4. bis 9. November in den Kinos Cameo und Maxx sowie verschiedenen Winterthurer Kulturlokalen stattfindet.
Schimmel im Archiv: Kein Pferd frisst sich durch die Akten des Geomatik- und Vermessungsamts, sondern ein böser Pilz. Dieser habe sich im Archiv ausgebreitet, nachdem dort im August und September 2024 die Lüftungsanlage ausgefallen war, heisst es in einem kürzlich publizierten Beschluss des Stadtrats. Dieser sprach nun insgesamt 90’000 Franken, um die Akten von einer Spezialfirma reinigen zu lassen.
Fassadenpfusch in Töss verjährt: 2022 riss der Sturm Roxana zahlreiche Dämmplatten aus dem «Claudia House of Sounds», dem letzten Gebäude auf der Zürcherstrasse Richtung Kemptthal. Jetzt wurde das dazugehörige Verfahren wegen «Verletzung der Regeln der Baukunde» eingestellt, wie der «Tages-Anzeiger» schreibt. Weil die Bauabnahme im Oktober 2012 stattgefunden hatte, ist die zehnjährige Verjährungsfrist nun abgelaufen. Zudem wäre es schwierig gewesen, den Geschäftsführenden der mittlerweile aufgelösten Firma einen Betrug nachzuweisen, heisst es im Text.
Littering schaffts ins Regionaljournal: Das gleicht einem Schmähpreis: Auch nach einem Jahr und einer Anti-Littering-Kampagne der Stadt lassen Winterthurer:innen ihren Abfall gerne im öffentlichen Raum zurück. Das berichtete das Regionaljournal Zürich-Schaffhausen gestern. Am Anfang der Kampagne habe man eine Verbesserung gespürt, sagte Stefan Aschwanden, stellvertretender Leiter Betrieb & Unterhalt im Tiefbauamt, gegenüber SRF. Doch jetzt sei alles wieder beim Alten. «Vereinzelte» Kontrollen hätten kein Fehlverhalten feststellen können, hiess es seitens der Polizei.
Temporäre WC am Bahnhof: Ein neugieriger Leser fragte gestern bei WNTI nach, weshalb auf dem «toten» Salzhausplatz Container-WC-Anlagen aufgetaucht seien. Ob es sich eventuell gar um eine Entwicklungsmassnahme handle? Die Stadt gibt auf Nachfrage Entwarnung: Die Parzelle gehöre der SBB. Die Bahn wiederum schreibt, die WCs seien temporär aufgestellt worden, bis die Toiletten im Bahnhofsgebäude umgebaut seien.
Go aus Bern für Brüttener Tunnel: Der Ausbau der Bahn auf vier Spuren zwischen Winterthur und Zürich wurde bewilligt. Das hat das Bundesamt für Verkehr gestern bekanntgegeben. Eine Kostenschätzung von 2014 beziffert das Projekt auf 3,3 Milliarden Franken, eine Umsetzung ist bis 2035 geplant.
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| Im gestrigen Wintibrief haben wir dich gefragt, ob du schon einmal das Oktoberfest besucht hast. Ein Drittel hob die Mass schon mal! |
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| «Über-flüssig» oder «Trotzdem gut»? Nach der Umfrage zur besten Pizza der Stadt gibt es bei WNTI eine neue Rekordhalterin für die meisten Antworten. Über 130 Personen meldeten sich mit ihrer Meinung zum Oktoberfest bis Redaktionsschluss: «Ein Fest, das nichts mit unserer Kultur zu tun hat. Das Oktoberfest gehört nach Bayern und ist dort tief verwurzelt. Das mit der erwähnten Plattform, bei dem sich Leute wieder treffen, ist wichtig und richtig. Aber wieso schaffen wir das nicht mit einem eigenen Winterthurer-Format?» — «Witzig, wenn man mit den richtigen Leuten unterwegs ist.» — «ÜberFLÜSSIG» — «Ich komme aus Deutschland und habe eher negative Assoziationen mit dem Oktoberfest. Vielleicht ist es hier aber viel schöner, zumindest klingt es der Beschreibung nach hier so!» — «Bier trinken ist ja nett, aber die Musik dort ist grässlich und die Fleischfresserei ebenfalls.» — «Soll, wer will.» —
«Nicht unsympathisch (da friedlich!), aber doch auch eine importierte und profitorientierte Geschichte ohne kulturellen Wert, die leider unsere Herbst- oder Winzerfest-Tradition abgelöst hat.» |
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| | Herbst ‒ nicht nur die Zeit der schönen Farben, sondern traditionell auch jene der «Metzgete». Früher mussten sich die Bauern noch entscheiden, ob sie für die kalten Monate Schinken parat haben oder ihre Tiere durch den Winter füttern wollten. Nun bin ich als Leberwurst-Liebhaber durch die Konsumkritik in unserem Wortwechsel arg in Verlegenheit geraten. Gut, gibt es Alternativen. Am 21. Oktober führen die Vereine Swissveg und Vegans of Winterthur im Rahmen der Animal Uprising Week den ersten veganen Stadtrundgang durch. Teilnahme empfohlen! En Guete, Tizian |
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