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| | Gerade erst habe ich darüber geschrieben, wie wichtig gute nachbarschaftliche Beziehungen sind. Und, vor allem: Ruhe. Denn nichts provoziert Gezanke unter Nachbarn so sehr wie Lärm. Laut einer Umfrage des Zürcher Instituts Marketagent vom vergangenen Jahr ist die Ruhestörung der häufigste Grund, weshalb Streit im Treppenhaus oder am Gartenzaun entsteht. Dabei blieb es bei einer Auseinandersetzung im August 2023 in Winterthur allerdings nicht. Ein damals 33-jähriger Schweizer fühlte sich durch seinen Nachbarn in der Wohnung unter ihm derart gestört, dass er das Sturmgewehr zur Hand nahm. Und das, obwohl der sonst lärmige Nachbar zu dieser Zeit nicht einmal zu Hause war. |
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| Laut ersten Medienberichten nach der Tat feuerte der Mann «10 bis 20 Mal» auf das Türschloss. (Screenshot: TeleZüri) |
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| Mit seiner Armeewaffe schoss der Mann mehrere Male auf das Türschloss des Ruhestörers und trat darauf die Wohnungstüre ein. Zuerst berichtete damals das inzwischen eingestellte Onlineportal ZüriToday. Die Staatsanwaltschaft warf dem Schützen versuchte, vorsätzliche Tötung vor. Sie kann laut Strafgesetzbuch mit einer Gefängnisstrafe von fünf bis 20 Jahren bestraft werden, allerdings muss ein Vorsatz, also die Absicht, jemanden zu töten, nachgewiesen sein. Die Staatsanwaltschaft forderte fünf Jahre für das «skrupellose, aber nicht heimtückische Verhalten». Die Schüsse seien zweifellos geeignet gewesen, jemanden zu töten, der sich im Eingangsbereich der Wohnung aufgehalten hätte, sagte der Staatsanwalt in seinem Plädoyer. Nur durch Zufall sei niemand getroffen worden, insbesondere weil es mehrere Querschläger gegeben habe. Einer sei durch die Küche und bis ins dahinterliegende Fenster gegangen. |
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| In diesem Haus an der Gutstrasse ereignete sich der Vorfall. Der Beschuldigte wohnt nicht mehr dort. (Bild: Tizian Schöni) |
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| Dafür, dass Ruhestörung nicht der alleinige Grund für diese Kurzschlussreaktion war, gab es mehrere Indizien. Von seiner Mutter war der Beschuldigte in den Tagen davor als vermisst gemeldet worden, weil er nicht auf der Arbeit erschienen war und auch telefonisch nicht erreichbar gewesen sei. Auf die Frage der Richterin, wie er sich in dieser Zeit gefühlt habe, gab der Mann nur verhalten Auskunft. Klar ist, dass er gesundheitlich schwer angeschlagen war. Schon länger habe er seinem Lehrberuf wegen Schmerzen in Knien und Beinen nicht mehr nachgehen können. Oder: Hätte nicht mehr nachgehen sollen. Trotz eines Teilzeit-Bürojobs am Wochenende habe er weiterhin im Akkord als Maurer gearbeitet. Als «schmerzhaft, körperlich schmerzhaft», schilderte er seine Lebenssituation vor der Tat. Womöglich wirkten sich diese Schmerzen auch auf seine Psyche aus. Er war zeitweise in psychologischer Behandlung und ein in der Untersuchung beauftragtes Gutachten hielt eine mehr oder minder schwere, psychische Störung zum Tatzeitpunkt für wahrscheinlich. Am besagten Tag sei er morgens wieder auf der Arbeit erschienen, worauf jemand aus dem Büro bei der Polizei angerufen habe, denn er war ja als vermisst gemeldet gewesen. Darauf sei er auf dem Posten gewesen und anschliessend nach Hause gegangen. Irgendwann sei er heruntergegangen, habe an der Tür des Nachbars geklopft und geklingelt. «Ich wollte ihn ‹zusammenscheissen›», erzählte der Beschuldigte. Das wäre nicht ohne Grund geschehen. Laut mehreren Zeugenaussagen war der Mann öfters laut. An diesem Tag gab es jedoch keinen akuten Grund ‒ der lärmige Nachbar war gar nicht daheim. Als niemand aufmachte, sei er noch wütender geworden, sagte der Beschuldigte. Danach griff er zur Waffe. Woher er die Munition hatte und weshalb er ein schussbereites Sturmgewehr 90 in der Wohnung aufbewahrte, wurde im Gerichtssaal nicht klar. |
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| | «Ich will mich nicht beschweren.» Beschuldigter auf die Frage nach den Haftbedingungen |
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| | Noch am selben Tag wurde der Mann verhaftet, fast ein Jahr verbrachte er danach in Haft. «Ich will mich nicht beschweren», sagte er auf die Frage der Richterin, wie es ihm im Gefängnis ergangen sei. Seit Juli 2024 ist er wieder auf freiem Fuss, hat eine Wohnung und immer mal wieder eine Arbeit auf Stundenbasis. Etwas Festes zu suchen, hätte sich wegen der eventuell bestehenden Haftstrafe nicht gelohnt, sagte er dem Gericht. «Der Arbeitgeber rechnet mit einem, und dann muss ich wieder weg.» Das wird nicht der Fall sein. Noch gestern Abend wurde der Beschuldigte von der versuchten, vorsätzlichen Tötung freigesprochen. Es sei nicht widerlegbar, dass er vor den Schüssen auf das Türschloss nicht an der Türe geklopft habe, sagte die Richterin zur Begründung. «Sie mussten nicht davon ausgehen, dass Personen anwesend waren.» Auch für die Sachbeschädigung muss der Mann nicht geradestehen, aber aus einem anderen Grund: Er wurde vom Gericht als schuldunfähig beurteilt. «Sie leiden unter einer psychischen Störung im Sinne des Gesetzes. Dieses Verhalten ist kein normales Verhalten, das man an den Tag legt», erklärte die Richterin. Diese Erkenntnis geht mit einer ambulanten Massnahme einher, die gegen den Willen des Angeklagten angeordnet wurde. Das Gericht könne nicht ausschliessen, dass es bei einer neuerlichen Belastungssituation wieder zu so einer Tat komme. Weil der Beschuldigte weitgehend freigesprochen wurde, steht zudem eine Genugtuung für ihn im Raum, weil er ‒ gemessen am Urteil ‒ viel zu viel Zeit in Haft verbracht hat. Sein Verteidiger forderte für die 333 Tage im Gefängnis rund 66’000 Franken. Über sie muss aber nach dem Abschluss der ambulanten Behandlung entschieden werden. |
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| Wieso Geschichte wichtig ist |
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| (Gedanken des neuen Präsidenten des Historischen Vereins Winterthur) History Matters – unter diesem Motto stand letztes Jahr das 150. Jubiläum des Historischen Vereins von Winterthur. Was in manchen Ohren möglicherweise wie ein salopper Slogan klingen mag, ist für mich ein Weckruf. Ich will mich engagieren – gerade jetzt! Nie wieder Krieg, hiess es vor 80 Jahren, als der Zweite Weltkrieg zu Ende ging. Und heute? Die Welt scheint aus den Fugen und ich frage mich, wo ist die Erinnerung geblieben? Genau gegen dieses Vergessen gilt es anzutreten. Denn Rechtsstaatlichkeit und Pluralismus sind nicht selbst gegeben. Sie könnten bald schon weggepustet sein. Dann nämlich, wenn nur noch diejenigen gehört werden, die am lautesten schreien. Die ganze Digitalisierung, Social Media mögen ihre positiven Seiten haben – nur Orientierung bieten sie nicht, weil jede und jeder jederzeit ihren oder seinen Senf zum Besten geben kann – ungeschützt und ungeprüft. Abhilfe schafft da eigentlich nur unser Gedächtnis – eine der grossartigsten Eigenschaften, womit wir Menschen ausgestattet sind. Die Auseinandersetzung mit Geschichte fördert diese Eigenschaft. Noch besser, sie fördert das kritische Denken. Einst war Winterthur eine bedeutende Industriestadt. Vor allem aber gilt und galt Winterthur als Ausgangspunkt der Demokratiebewegung in unserem Land und weit darüber hinaus. Das ist ein bedeutendes Erbe, das wach zu halten und weiterzuentwickeln gerade heute allemal lohnt. Dafür engagiere ich mich und ich wünsche mir, meinen neuen Job als Präsident des Historischen Vereins gerade dafür nutzen zu können, um auf Menschen zuzugehen und gemeinsam dafür zu sorgen, dass nicht vergessen geht: Geschichte (er-)zählt! |
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| | Unter der Rubrik «Geschichte vor Ort» schreiben verschiedene Autor:innen aus dem Geschichtennetzwerk Winterthur. Christian Huggenberg ist neuer Präsident des Historischen Vereins Winterthur und leitet mit zwei weiteren Vorstandsmitgliedern das Museum Schaffen. |
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| Das rollende Klassenzimmer macht Halt in Winti: Der SBB-Schulzug tourt seit dem vergangenen Jahr mit einem Wagen zum Thema Fake News durch die Schweiz. Vom 10. Juni bis zum 4. Juli hält das mobile Bildungsangebot nun in Winterthur. Zielpublikum sind Schulklassen der Mittelstufe, Lehrpersonen können das Angebot online reservieren.
Dem Forum Architektur wurde der Mietvertrag gekündigt: Das gab der Verein gestern in seinem Newsletter bekannt. Er hat deshalb eine Gruppe gebildet, welche die Liegenschaft an der Zürcherstrasse 43 als «BauKulturhaus» betreiben will. Die heutige Besitzerin Implenia, welche das Gebäude über die letzten Jahre fast unentgeltlich vermietete, will im Sommer mit der Liegenschaft auf den Markt gehen. Ein Kernteam aus der Trägerschaft des Forums, der SIA Sektion Winterthur, der Sektion ZAGG des Bundes Schweizer Architektinnen und Architekten, dem Bund Schweizer Landschaftsarchitekt:innen, der ZHAW Architektur, Gestaltung und Bauingenieurwesen und der Stadt prüft jetzt die verschiedenen Möglichkeiten, um ein Kaufangebot zu unterbreiten.
U21-Trainer wechselt vom FCW zu Schaffhausen: Der 42-jährige Fabio Digenti verlässt die U21-Mannschaft des FC Winterthur. Dies vermeldete der Landbote gestern. Unter Digenti habe sich die Mannschaft gut entwickelt, heisst es dort. So sei der Trainer in den letzten beiden Saisons zum besten Trainer der 1.-Liga-Gruppe 3 gewählt worden.
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| Hinter dir hängt ein Kasten mit vielen Lämpchen dran. Wofür ist der? Das ist mein Offnomat. Er zeigt mir die Öffnungszeiten von verschiedenen Orten an, die ich so besuche. Grün bedeutet «offen», bei Gelb kann ich gerade noch losgehen, und bei Rot ist der Ort geschlossen. Mir ist der Offnomat gleich aufgefallen. Ja, das war die Idee. Die Leute, die bei uns ins Büro kommen, sollen gleich sehen, dass wir kreative, aber pragmatische Lösungen bieten. Was für Lösungen hast du sonst noch parat? Für eine Winterthurer Garage haben wir ein kleines Interface entwickelt, damit sie die Winterreifen ihrer Kund:innen im Lager schneller finden. Und für ein Studio, das ein VR-Game herausgibt, haben wir eine Anzeigetafel gebaut, wie viele Minuten das Spiel schon gespielt wurde. Als kleine Aufmunterung für die Angestellten. Mit unserem Büro Problemli wollen wir Winti von allen Compi-Problemen befreien. |
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| | Was ich hier unten mal sagen wollte. Danke allen Lesenden, die sich bei uns melden. Wir freuen uns über jedes Thema und jede Rückmeldung. Auch wenn wir ersteres nicht immer gleich am nächsten Tag verarbeiten können ‒ und letzteres manchmal etwas Zeit braucht, bis es umgesetzt ist. Übrigens: Christian Huggenberg hat mit seinem Text den Auftakt zu unserem letzten Kolumnen-Format gemacht: Wechselnde Autor:innen aus dem Winterthurer Historiker:innen-Netzwerk schreiben hier über ihre (alten) Winti-Geschichten. Wir schreiben uns, Tizian |
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